23.03.2021

RS 1 vs. RS 2

Thomas Zacharias ©

Vor wenigen Monaten war ich noch ein Rest von Athlet. Und da fiel es mir nicht weiter auf, dass RS2 einiges mehr an Körperkraft erfordert als RS1. Jetzt bin ich in den letzten Wochen anscheinend um einiges gealtert und habe gleichzeitig versäumt, mir hinreichend Erholung zwischen den Trainingssitzungen zu verordnen. Und schon merke ich, wie ich immer schwächer werde, und mein Schwung schwach wird und verkrampft. 

Ich bin daraufhin dem Verdacht nachgegangen, dass mein neues Konzept oder Rezept (RS2 = mit gebeugt-versteiften Handgelenken durchzuschwingen) anstrengender ist als das Abschwingen mit sich gleichzeitig beugenden Handgelenken (RS1). Bei erstgenanntem Vorgehen muss man den Schläger gleich beim Umschwingen mitnehmen, weil die HG ja schon voll gebeugt sind. Und während des Abschwungs "will" der Schläger "natürlich" zurückbleiben, kann es aber aus genanntem Grunde nicht. Und so bildet er zum Schwung der Arme einen ziemlich arg spürbaren Widerstand. Was den heutigen Kraftprotzen auf der Tour offensichtlich nichts ausmacht.
Dieser Widerstand muss dann von den Muskeln in Beinen, Rumpf und Schultern überwunden werden, und das ist lange nicht so mühelos, wie wenn der Schläger während des Abschwungs erst einmal zurückbleibt weil das Händeglenk nicht schon beim Ausholen zurückgebeugt worden ist, sondern erst nach dem Umschwung gebeugt wird. Dieses Manöver führt wiederum dazu, dass der Schläger ganz aus der Dynamik, also der Krafterfordernis herausfällt. Er verschwindet sozusagen aus der dynamischen Kette und taucht erst wieder auf, wenn er kurz vor dem Impakt mit dem Ball um das HG herum schleudert und dabei von Händen und Golfermuskeln zum Ball und zum Ziel hin beschleunigt wird. Dadurch entsteht die Möglichkeit zu einem mühelos anmutenden, eleganten Schwung, wo die heutigen Cracks ruck-zuck einfach draufdreschen. 

Allerdings hat mir der Exkurs über RS2 zwei Verbesserungen gebracht:
Meine Körperarbeit und somit vor allem mein Armschwung sind sicherer und kraftvoller geworden. Und meine Hände sind sensibler geworden für die Bewegungen des Schlägers, können also dessen Weg besser steuern und seine Beschleunigung besser timen. Obwohl ich also den Schläger beim Abschwng der Arme zurücklasse, geschieht dies doch nicht locker und dadurch übertrieben, sondern kontrolliert, also mit Spannung und Kontrolle in den Unterarmen. Und dadurch sind Führung und Schlagkraft besser. Mein erklärtes Ziel, den Schlägerkopf nicht nur hoch zu beschleunigen sondern auch unter Druck an den Ball zu bringen, lässt sich damit also durchaus auch erreichen. 

Ich weiß, ich kapriziere mich seit Jahren auf diese Aspekte der Bewegungskette, dieser besonderen Schlangenbewegung beim Golfschlag und sage wenig zu all den kleinen Fehlern die man unterlassen muss und den hilfreichen Details, denen man sich beim Studium widmen kann. Aber ich stehe dazu, weil ich einen starken Hang, ja Drang dazu habe, nach dem wirklich Wesentlichen zu suchen und es in den Vordergrund zu stellen. 

Aber bitte! Hier ein solcher Nebenaspekt:

Wer glaubt es ginge beim Golfschlag auch darum, die Körpermasse und das Becken (Hüften) irgendwann (möglichst beim Abschwung) zum Ziel hin zu verschieben, der könnte (unbewusst) meinen, dies würde dadurch bewerkstelligt, dass das rechte Knie gestreckt wird. Dadurch steigt aber die rechte Hüfte und der Rumpf könnte zum Ziel hin kippen (umfallen). Und dies wiederum hebt die rechte Schulter, die eigentlich zurückbleiben und nach unten streben müsste. Kurz: Die Gesamtstruktur der Körperhaltung und Körperbewegung gerät durcheinander. Hier könnte bei manchem Spieler eine unerkannte Ursache für diverse Fehlschläge stecken, weil es zu Verwirrung und Verirrung führen kann. Die Gewichtsverlagerung ist keinesfalls so simpel wie sie immer hingestellt wird, denn wenn das Gewicht erst einmal auf rechts gelagert ist, dann ist es nur schwer wieder nach links zu bringen. Und dann muss es von dort ja auch noch wieder zur Mitte gebracht oder auf links im Gleichgewicht gehalten werden.
Hierzu ist eine Beinarbeit fällig, die nur schwer mit der Aufgabe zu verbinden ist, das Becken nach rechts zu kippen, ohne dass der Rumpf mitkippt. Entweder man schiebt also das Becken nach links oder man kippt es nach rechts. Diese Kippbewegung ist viel leichter zu bewerkstelligen, wenn man das Gewicht still in der Mitte zwischen den beiden Hüften hält und mit der abwechselnden Beugung zunächst des linken und dann des rechten Knies arbeitet. Also beim Ausholen das linke Knie Beugen und nach rechts Eindrehen und beim Abschwung, das rechte Knie Beugen und nach links Eindrehen. Könner machen oft beides: Verschieben und Kippen, was in der Kombination das Schwierigste ist.
Das Kippen hat seinen Sinn in der Stellung der Wirbelsäule, die ja beim Impakt nach rechts geneigt sein muss, damit die rechte Schulter tiefer steht als die linke (weil ja auch die rechte Hand tiefer liegt als die linke). Und bis vor Kurzem erschien mir all dies viel zu kompliziert und vor allem erlässlich. Ich wollte die einfachstmögliche Bewegung "erfinden", damit ich so wenig wie möglich Bewegungsentscheidungen zu treffen hätte. Das gab mir die Hoffnung auf einen zuverlässigen Schwung und Schlag und ein erfreuliches Spiel auf der Runde. Das Gegenteil war das Resultat. Einfach und Richtig schließen sich beim Golfen offenbar aus. 

Heute erinnere ich mich nur noch schwach an jene wenigen Runden, mit denen ich hoch zufrieden war, aber ich bin sicher, da habe ich so einige Bewegungen unbewusst richtig gemacht, die ich in der Theorie eigentlich unterlassen oder gar unterdrücken zu müssen glaubte. Und nachdem ich diesen Fragen in der Übungs-Praxis auf den Grund gegangen bin muss ich sagen: Die Gewichtsverlagerung ist, isoliert betrachtet, eine feine Sache aber erlässlich. Die Neigung des Rumpfes (WS) und das dazugehörige Kippen des Beckens aber ist auch fein und dazu unerlässlich. Ja, diese Maßnahme fällt entscheidend leichter ohne Gewichtsverschiebung und gelingt mir entsprechend unproblematisch.
Ich habe (leider) nur einen Körper und nur mit diesem kann ich Erfahrungen sammeln und Experimente machen. Und mir ist klar, dass ich die dabei gewonnenen Resultate nicht als allgemeingültige Erkenntnisse betrachten und jedem anderen Golfkollegen überstülpen kann, wie es bei den meisten Könnern und Lehrern üblich ist. Trotzdem gefällt mir die Hoffnung, dass meine Sucherei den einen oder anderen von ihnen auf deren Suche nach einem erfreulichen Golfschwung inspirieren kann.
Schluss für heute. 

Gut Holz an alle! Euer ThZ