05.07.2011

Probeschwung und Schlag mit Ball

Thomas Zacharias ©

Ein für Hobbygolfer ganz typisches Phänomen ist der eklatante Unterschied zwischen ihren Probeschwüngen und dem anschließenden Schlag nach dem Ball. Der Probeschlag befindet sich meist schon ganz nahe am Ideal. Wer ihn beobachtet denkt: „Na, das sieht doch recht manierlich aus.“ Doch wenn es Sekunden später darum geht, den Schlag tatsächlich auszuführen, ist derselbe Spieler nicht wiederzuerkennen. Nicht nur dass er sich plötzlich viel schneller bewegt, dass alles verkrampft und unrund wirkt. Es tauchen Bewegungen auf, die vorher nicht zu sehen waren, ja die absolut fehlerhaft sind. Und das ist natürlich auch ein psychisches Problem.  
 
Die bewusste Absicht verlagert sich weg von der Technik und der Körperbewegung hin zum erwünschten, angestrebten Ballflug; von der Ausführung zum Resultat, vom sorglosen Bewegungsfluss hin zu einer um Genauigkeit bemühten, krampfhaft gesteuerten Aktivität.
Das Problem ist aber auf der psychologischen Ebene nicht zu lösen. Schließlich unterliegen doch alle Bemühungen dem Ziel Ballflug. Auch den Probeschwung hat man doch gelernt, weil man damit einen perfekten Ballflug erzeugen zu können hofft. Diese Hoffnung aufzugeben oder auszublenden würde den Sinn des Spiels und die selbstgestellte Aufgabe ad absurdum führen, das Motivationsgebäude zum Einsturz bringen.

Die berühmte Absichtslosigkeit der Zenmeister steht nicht am Anfang der Lehrjahre, sondern am Ende. Niemals Ziel. Nur Nebenprodukt, Randerscheinung. Unerwarteter Folgezustand äußerster Besonnenheit beim Lernen und Üben. Erleuchtung nebenbei. Enlightment by the way. Auf dem Weg. Und plötzlich in tiefster Selbstversunkenheit, in höchster Hingabe an die Arbeit – das Spiel, der Flow!

Als lernender Golfer sollte man also seine ganze Aufmerksamkeit darauf richten, den Körper zu beherrschen und ihm die Bewegungen abzuverlangen, die man als richtig und notwendig anerkannt hat. Nur dann entsteht die Erfahrung, dass mit dem Probeschwung der Ball tatsächlich viel besser fliegt. Wie aber bekomme ich den Probeschwung an den Ball?!
Nicht nur indem ich mich von der Ballflugvorstellung abwende, bzw. sie zwischen Probe und Ernst gar nicht erst aufkommen lasse.
Ich muss ergründen, was mein Körper am Ball plötzlich vorbei an allen guten Absichten anders macht. Und diese Eskapaden müssen dann mit Einsicht, Disziplin und festem Willen unterbunden werden.

Als Erstes vermeiden wir die unbewusste Temposteigerung und Kraftübertreibung. Also machen wir den Probeschwung mit annähernd 100% Tempo und Kraft, und nehmen uns vor, am Ball nur 80 bis 90% einzusetzen. Hier spielt wieder das Verhalten der rechten Hand eine gewichtige Rolle. Beim Probeschwung hält sie sich brav zurück. Und wenn es ernst wird, macht sie wieder Power und führt sich auf wie ein Despot.
Also schreie man sie innerlich an: „Strecke nicht – beuge!“
Und dem Körper flüstere man zu: „Laaangsam bitte. Bloß nicht Dreschen!“ Und wenn das Ziel noch so weit, der Baum noch so hoch, das Wasser noch so breit ist.

Zweitens verzichten wir auf die Absicht, den Schlägerkopf jetzt auch so präzise wie möglich an den Ball zu führen. Machen wir uns klar, dass Arme und Schlägerschaft ihre Länge nicht verändert. Wenn ich beim Probeschwung 10cm vor dem Bal durchschwinge und dann 10cm vortrete, dann schwingt der Schlägerkopf auch durch den Ball. Darauf muss ich mich verlassen. Wenn ich allerdings beim Schlag technische Fehler einbaue, kann diese Erfahrung natürlich nicht aufkommen. Und dann entsteht ein Teufelskreis aus Sorgen und Fehlern. Je unsicherer ich bin, desto mehr Fehler mache ich, und umgekehrt.

Drittens und am wichtigsten, weil am wirkungsvollsten: Brechen wir wirklich jede Anstrengung kurz vor dem Impakt ab. Versuchen wir, nie mehr mit Kraft durch den Ball zu schlagen, oder ihn mit Druck von hinten in die erhoffte Flugbahn zu steuern. Bei linker Arm 7Uhr (SP2) ist die Nacht vorbei! Der Job getan. Also:
Schlage abwärts, niemals zielwärts. Triff den Ball und Schluss! Der Ball ist das Ziel. Nicht das Fairway, nicht die Fahne.
Es gehört also zu einem guten Probeschwung, auch mental so zu tun als wäre es der Schlag mit Ball. Dieselben Vorstellungen, dieselben Gedanken.
Und erst wenn man das schafft, reicht es sich vornehmen, am Ball wirklich nichts anderes zu machen, als beim Probeschwung.
Eine Hilfe dabei ist, die Zeitlücke so kurz wie möglich zu halten, also direkt hintereinander zweimal genau dasselbe zu machen. Damit kann man bis zu einen gewissen Grad das Aufkommen anderer Absichten austricksen. Also Ballflugvorstellung, Taktik und Zielorientierung abschließen und nicht mehr darauf zurückkommen. Probeschwung wie den vollständigen Schlag ausführen und sofort am Ball wiederholen.

Wegen dieser Klippe ist es so heikel, auf der Range viele Bälle zu schlagen und seine Erfahrungen und Emotionen überwiegend an den Ballflug zu koppeln, also an Erfolg oder Misserfolg. War der Ballflug gut, möchte man den nächsten erleben und rechtfertigt das mit der Hoffnung, dass viele Wiederholungen für Zuverlässigkeit und Sicherheit sorgen. Und wenn der Ballflug schlecht war, dann will man ihn so schnell wie möglich durch einen besseren vergessen machen. Deshalb ist es so mühselig und kostet so viel Geduld und Überwindung, nach jedem Schlag mit Ball wieder Probeschwünge zu machen. Aber einen anderen Weg gibt es wohl nicht.

4 Kommentare:

  1. Guten Morgen,
    was bedeutet SP2?
    Gruß Uwe

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  2. Lieber Uwe,

    SP2 steht für die Schlüsselposition 2 und bezieht sich auf das Kapitel 13 "Die 5 Schlüsselpositionen" aus Thomas' neuem Buch. Wir werden über die Schlüsselpositionen demnächst auf der website mit Fotos und Videos näher eingehen.
    Keep hittin'

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  3. Bitte bedenken:
    Die meisten Probeschwünge sehen zwar gut und flüssig aus, würden aber fiese Slices produzieren, weil die Schlagfläche weit offen ist! Auch der Sweetspot würde nur mit Glück getroffen. Im Probeschwung lässt man es eben (zu) locker angehen, es kann ja nichts schlimmes passieren...

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  4. wie wahr die Worte
    sind ..

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