31.07.2020

2. Todsünde – Überschätzung der Schwierigkeit

Thomas Zacharias ©
 
Der Golfschlag ist motorisch nicht komplizierter als irgendeine andere sportliche Bewegung. Der einzige Unterschied ist die erforderliche Präzision und damit verbunden die große Wahrscheinlichkeit von misslungenen Versuchen, also Fehlschlägen. Es gelingt aber erstaunlich vielen Laien mit äußerster Präzision und entsprechender Zuverlässigkeit serienweise Fehlschläge zu produzieren, die wegen eines ganz bestimmten, immer gleichen Fehlers schlecht sind. Also ist Präzision hier nicht das Problem. Es ist die falsche Vorstellung von dem was biomechanisch erforderlich ist, um gute Schläge zu machen. 

Man sucht die Fehler nicht da wo sie stecken, weil man Richtig und Falsch gar nicht zu unterscheiden weiß. Golflehrer sind nicht in der Lage zu erklären, was man tun muss, um gute Schläge zu machen. Wenn es im Unterricht nicht klappen will, dann meinen sie, der Schüler mache nicht was sie ihm sagen. Und der Schüler nimmt die Schuld auf sich, weil er nicht daran zweifelt, dass ihm das Richtige gesagt wird. Er schämt sich noch für seine Ungeschicklichkeit. Dabei ist das was er machen soll technisch falsch oder sogar biomechanisch unmöglich. 

Richtig angeleitet könnten unermesslich viele schlechte, unzufriedene Golfer gute und glückliche werden. Anstatt dessen trösten sie sich mit der Behauptung, der Golfschlag sei schließlich die schwierigste sportliche Bewegung die es gibt. 

Dabei haben sie andere Sportarten selbst nie ausprobiert. Dann wüssten sie nämlich, dass sie auch nicht schwungvoll am Reck in den Stütz gelangen oder am Barren eine Kippe, am Boden einen Salto oder an den Ringen einen Kreuzhang machen könnten. Auch nicht bei fehlerfreier Anleitung.

Ich habe im meinem Leben ungefähr gleichviele Hochsprünge wie Golfschläge gemacht – mehrere hundert tausend Stück. Und beim Hochsprung finde ich doppelt so viele Fehler, die mir unterlaufen als beim Golfschlag. Nämlich 12 anstatt 6. Wenn ich alles richtig mache, schlage ich 220m weit und springe 220cm hoch (im besten Alter...). Jeder Fehler allein kostet 5. Meistens führt ein Fehler aber zum nächsten. Und dann klappt bald gar nichts mehr, und man muss von vorne anfangen, das erworbene und wieder verlorene Können abermals ganz von unten aufbauen. 

Wenn ich mich damit trösten würde, dass Golfschlag und Hochsprung ja ach so schwierig sind, und es kein Wunder ist, dass ich sie nicht beherrschen lerne, dann wäre ich sicher kein Hochsprungweltrekordler geworden und wäre als Golfer längst endgültig gescheitert. In meinem damals Gottlob noch sehr praxisorientierten Sportstudium habe ich über ein Dutzend Sportarten intensiv (mindestens 2 Jahre lang) erlernen dürfen und dazu über 50 sport-technische Fertigkeiten erworben. Das meiste davon war schwieriger als der Golfschlag. Ich hatte am Mainzer Sportinstitut aber auch fantastische Lehrer, Meister ihres Fachs nicht nur in ihrer Praxis sondern mehr noch in der Theorie, also in Biomechanik, Motorik und Didaktik. Dieses Privileg ist natürlich nicht mein Verdienst. Da kann ich nur auf ewig danken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen